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Das Bundeskartellamt hat am 2. März 2016 ein Verfahren gegen Facebook wegen Verdachts auf Marktmachtmissbrauch durch Datenschutzverstöße eröffnet (zur Pressemitteilung)

Es prüft, ob Facebook durch die Ausgestaltung seiner Vertragsbestimmungen zur Verwendung von Nutzerdaten seine mögliche marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für soziale Netzwerke missbraucht.  Damit setzt das Amt eine seit einiger Zeit bestehende Diskussion in die Tat um, nämlich die Verknüpfung von Datenschutz- und Kartellrecht oder auch die Rolle von „Big Data“ im Kartellrecht.  Dabei beschreitet es neue Wege, und es stellen sich in dem Verfahren interessante Fragen.

Marktdefinition

Neu ist schon der Ausgangspunkt der Prüfung: das Amt untersucht einen Markt für soziale Netzwerke, obwohl zwischen Facebook Deutschland und den Nutzern keine entgeltliche Vertragsbeziehung besteht.  In der Vergangenheit hat das Amt (und haben auch die deutschen Gerichte) nur dort eine Marktleistung angenommen, wo es eine entgeltliche Austauschbeziehung gibt.

Die Herangehensweise des Amts im jetzigen Verfahren stellt darauf ab, dass die Nutzer mit ihren Daten „bezahlen“, denn Facebook erstellt Nutzerprofile und vermarktet diese für gezielte Werbung.  Einen vergleichbaren Ansatz verfolgte jüngst wohl auch das LG Berlin im Leistungsschutzrechtsverfahren von 41 Presseverlagen gegen Google, als es einen Markt für Suchmaschinen für möglich oder wahrscheinlich hielt (dies aber nicht entscheiden musste).

Das Amt hatte allerdings in seinem Hintergrundpapier „Digitale Ökonomie – Internetplattformen zwischen Wettbewerbsrecht, Privatsphäre und Verbraucherschutz“ vom 1. Oktober 2015 anlässlich des Arbeitskreises Kartellrecht bereits angedeutet, dass es seine bisherige Praxis weiter entwickeln wird, auch vor dem Hintergrund, dass die Europäische Kommission bereits Märkte angenommen hat, wo es um unentgeltliche Leistungen geht (Suchmaschinen im Internet im Google-Missbrauchsverfahren als auch Kommunikationsdienste für Endkunden und Dienste für die soziale Vernetzung im Fusionskontrollverfahren Facebook/WhatsApp).

„Theory of Harm“

Eine weitere Neuerung in der Praxis ist auch die „Theory of Harm“, nämlich das Abstellen auf einen möglichen Verstoß gegen Datenschutzrecht als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung in Form des Konditionenmissbrauchs nach § 19 GWB.  Hier stellt sich die grundsätzliche Frage zum Verhältnis Datenschutz- und Kartellrecht.  Dazu findet sich im genannten Hintergrundpapier (S. 25) folgendes:

„Relative Einigkeit besteht, dass das Kartellrecht nicht originär zum Datenschutz verwendet werden kann oder soll. Die Konzentration und Verknüpfung von Daten ist nicht zwingend ein Wettbewerbsproblem und die Verfolgung allein datenschutzspezifischer Bedenken ist nicht den Kartellbehörden zugewiesen.“

Aber das Hintergrundpapier beinhaltet auch den Hinweis, dass Datenschutzverstöße von marktbeherrschenden Plattformen bei Nutzerdaten als Konditionenmissbrauch gesehen werden könnten (S. 31):

„In den AGB ist dann zumeist eine Klausel enthalten, mit der Nutzer einer Erhebung (und ggf. Weiterverwendung) personenbezogener Daten zustimmen.  Ein solches Verhalten könnte als Konditionenmissbrauch gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB angesehen werden, wenn Geschäftsbedingungen gefordert werden, die von denjenigen bei wirksamem Wettbewerb abweichen. Die Verwendung unzulässiger AGB durch marktbeherrschende Unternehmen kann grundsätzlich einen Missbrauch im Sinne des § 19 GWB darstellen, insbesondere, wenn die Vereinbarung der unwirksamen Klausel Ausfluss der Marktmacht oder einer großen Machtüberlegenheit ist. Denkbar ist auch ein Missbrauch unter dem Gesichtspunkt des Behinderungsmissbrauchs, soweit unzulässigerweise erhobene Daten die bestehende Marktmacht verstärken.“

Im Nachhinein mag sich das wie eine Ankündigung des jetzigen Verfahrens gegen Facebook lesen.  Eine wichtige Frage im Verfahren wird sein, ob der datenschutzrechtliche Verstoß eines potenziellen Marktbeherrschers allein schon für die Annahme eines Missbrauchs ausreichen kann oder ob nicht  zusätzliche Elemente den Missbrauch begründen müssen.