von Roman Zagrosek
Roman Zagrosek hat als Co-Autor einen Artikel zu dem Thema verfasst (Zeitschrift für Wirschaftsrecht (ZIP), 2019 Heft 50/ S. 2385, zusammen mit Knott). Das geplante deutsche Unternehmensstrafrecht wird die Relevanz von Compliance-Themen bei M&A-Transkationen weiter verstärken.
Es sieht einen eigenen Konzernbegriff sowie erheblich verschärfte Sanktionen vor. Außerdem wird die Haftung beim Ausfall der Sanktion sowie des wirtschaftlichen Nachfolgers eingeführt. All diese Verschärfungen sind im Kartellrecht bereits gesetzlich umgesetzt, so dass die dort bestehende Praxis relevant ist. Der Artikel beschäftigt sich mit den Auswirkungen auf M&A-Transaktionen. Das Thema wird von den Autoren auch in einem auf Englisch veröffentlichten Beitrag behandelt, abrufbar unter: https://ssrn.com/
von Roman Zagrosek
Mit Beschluss vom 9. Juli 2019 (hier) hat der BGH die Entscheidung des OLG Düsseldorf, das das Bußgeld für Rossmann wegen vertikaler Preisabsprachen beim Vertrieb von Röstkaffee von EUR 5,25 Millionen auf EUR 30 Millionen erhöht hatte, aufgehoben und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Grund für die Aufhebung und Zurückverweisung war ein formaler Fehler: Die Urteilsgründe wurden nicht fristgerecht nach Verkündung am Ende der Hauptverhandlung zu den Akten gebracht.
Nur am Rande äußerte sich der BGH zu inhaltlichen Rügen, da der formale Verstoß einen sogenannten absoluten Revisionsgrund darstellt, der automatisch die vollumfängliche Aufhebung des Urteils zur Folge hat. Rossmann hatte u.a. vorgebracht, die Taten seien verjährt. Der BGH schließt sich dem OLG Düsseldorf an, es habe einen einheitlichen Kartellverstoß, bestehend aus Grundabsprache und Umsetzungshandlungen gegeben, der nach den Feststellungen des OLG Düsseldorf bis Februar 2008 noch nicht beendet war. Die Entscheidungsverkündung des OLG Düsseldorf habe die Verjährung daher rechtzeitig unterbrochen.
Zur Berechnung und Höhe des Bußgeldes trifft der BGH jedoch keine Aussage. Das OLG Düsseldorf hatte das Bußgeld des Bundeskartellamtes mit seiner Entscheidung versechsfacht.
Ursprünglich hatte das Bundeskartellamt im Jahr 2016 festgestellt, dass Röstkaffee-Hersteller Melitta und einige Handelsunternehmen zwischen 2004 und 2008 vertikale Preisabsprachen zur Erhaltung eines Mindestniveaus der Endverkaufspreise für Röstkaffeeprodukte getroffen hatten, und entsprechend Bußgelder verhängt, gegen Rossmann in Höhe von EUR 5,25 Millionen (Fallbericht hier). Während alle anderen Beteiligten im Rahmen eines Settlement-Verfahrens einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung zugestimmt haben, hat Rossmann Einspruch gegen den Bußgeldbescheid des Bundeskartellamtes eingelegt. Das OLG Düsseldorf hatte daraufhin in seinem Beschluss vom 28. Februar 2018 (Az. 4 Kart 3/17 OWi, (hier) das Bußgeld gegen Rossmann auf EUR 30 Millionen erhöht. Bei der Bußgeldberechnung ging das OLG Düsseldorf dabei anstelle des tatbezogenen Umsatzes vom konzernweiten Umsatz aus und führte im Rahmen seines Ermessens eine eigene Abwägung der Schwere der Tat und Schuld durch. Rossmann legte daraufhin Rechtsbeschwerde beim BGH ein.
von Roman Zagrosek
Am 17. Juli 2019 hat das BKartA die einvernehmliche Verfahrensbeendigung mit Amazon mitgeteilt. Neben der Pressemeldung (hier) wurde auch ein Fallbericht (hier) veröffentlicht. Am selben Tag leitete die Europäische Kommission ein Verfahren gegen Amazon ein (hier).
Heinz & Zagrosek hat einen Nähmaschinenhändler als Beschwerdeführer im deutschen Verfahren vertreten.
Das BKartA ermittelte insbesondere in Bezug auf Amazons Haftungsregelungen, Kündigung und Sperrung von Händlerkonten, Gerichtsstand (Zuständigkeit nur in Luxemburg), Retouren und Erstattungen, Produktinformation und Nutzungsrechte, Geheimhaltung, Transparenz, Produktrezensionen und Verkäuferbewertungen.
Die Tatsache, dass das BKartA Amazon davon überzeugen konnte, ihre AGB in relativ kurzer Zeit zu ändern und zu ergänzen (im Vergleich zu anderen Missbrauchsverfahren wurde der Fall innerhalb von ca. 7 Monaten abgeschlossen), ist sehr positiv. Es ist schon bemerkenswert, dass das BKartA eine globale Lösung erreichen konnte, d.h. eine, die nicht nur auf seinen Zuständigkeitsbereich in Deutschland beschränkt ist. Die Änderungen scheinen die meisten Beschwerdepunkte abzudecken, aber natürlich wird es entscheidend sein, wie Amazon diese versprochenen Änderungen in die Realität umsetzen wird. Der Teufel steckt in den Details, und das Bundeskartellamt ist bereit, das Verfahren wieder aufzunehmen, sollte Amazon die Änderungen nicht richtig umsetzen.
In Deutschland ging es nicht in erster Linie um die Doppelrolle Amazons als Plattformanbieter und Händler – das ist jetzt Gegenstand des Kommissionsverfahrens -, sondern vielmehr um den ausbeuterischen Missbrauch gegenüber auf der Plattform tätigen Händlern durch die Einführung missbräuchlicher Handelsbedingungen.
Der Fall betraf aber auch die Behinderung und Abschottung von Händlern, insbesondere durch die Nutzung ihrer marktbeherrschenden Stellung im eigenen Einzelhandel: Amazon erlaubt die Veröffentlichung von Produktbewertungen auf seiner Plattform nur dann, wenn sie von einem eigenen „Amazon Vine“-Dienst erstellt werden, nicht von Drittanbietern. Gleichzeitig wird verhindert, dass Plattformhändler den Vine-Service nutzen, der nur für Anbieter der eigenen Retail-Aktivitäten von Amazon (Vendoren) verfügbar ist.
Hier hat Amazon nun versprochen, weiteren Händlern den Zugang zum Amzon Vine Service zu gewähren und Dienstleistungen für die Überprüfung neuer Produkte anzubieten, was sehr positiv ist. Das BKartA hat jedoch nicht entschieden (und von der einvernehmlichen Verfahrensbeendigung ausgeklammert), wie mit dem Umstand umzugehen ist, dass Amazon von über Drittdienstleister organisierte und auf Amazon veröffentliche Produktbewertungen rückwirkend gelöscht bzw. verbot, die ebenfalls Teil der Beschwerde waren und getätigte Investitionen der Händler in diesem Bereich betreffen. Das BKartA wollte das informelle Gesamtpaket der einvernehmlichen Verfahrensbeendigung offensichtlich nicht aufhalten und verzichtete daher auf eine eingehende Prüfung dieser Aspekte. Stattdessen wartet es die Ergebnisse der derzeit laufenden Sektoruntersuchung zur Nutzerbewertung ab (siehe unseren Blog hier), die sich ebenfalls mit diesem Thema befasst. Das Thema ist für Online-Händler nach wie vor sehr wichtig. Der Teufel steckt in den Details, und das BKartA ist bereit, das Verfahren wieder aufzunehmen, sollte Amazon die Änderungen nicht richtig umsetzen.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden und die Europäische Kommission den Umfang und den Zeitplan ihrer Verfahren koordinieren – da bei der Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts parallele Kompetenzen bestehen, während die Kommission letztendlich einen Fall übernehmen kann. Hier war es effizient, die Inhalte der Verfahren zu koordinieren, um zu vermeiden, dass die Behörden im Wesentlichen die gleichen Fragen überprüfen.
Heinz & Zagrosek wurden im Zusammenhang mit der einvernehmlichen Verfahrensbeendigung mit Amazon in der Juve (here) und GCR (here) erwähnt und Frau Heinz wurde auch zitiert.
von Roman Zagrosek
Pressemitteilung vom 23.5.2019
Nutzerbewertungen können sich auf Produkte wie z.B. Nähmaschinen der Marke XY oder Dienstleister wie z.B. Händler und Ärzte beziehen. Bei Nutzerbewertungen auf Plattformen wird unterschieden, ob es sich um offene oder geschlossene Bewertungssysteme handelt. Kennzeichnend für ein offenes System ist, dass Nutzer auch dann eine Bewertung abgeben können, wenn sie das Produkt bzw. die Dienstleistung nicht über die Plattform bezogen haben. Ein geschlossenes Bewertungssystem setzt dagegen eine Transaktion auf der konkreten Plattform voraus.
Das Bundeskartellamt nutzt mit der Sektoruntersuchung ein Instrument zum Verbraucherschutz, das der Behörde seit Mitte 2017 zur Verfügung steht. Nach den Bereichen Smart TVs (siehe hier) und Vergleichsportale (siehe hier) handelt es sich um die dritte Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts zum Verbraucherschutz.
Im Gegensatz zu kartellrechtlichen Sektoruntersuchung beschränken sich die Maßnahmen des Bundeskartellamts beim Thema Verbraucherschutz auf die Veröffentlichung eines Abschlussberichts. Es leitet keine konkreten Verfahren ein, sondern stellt etwaige Missstände lediglich fest.
Das Bundeskartellamt ist nicht die einzige europäische Wettbewerbsbehörde, die sich dem Thema Nutzerbewertungen widmet. Bereits in 2015 veröffentlichte die Competition & Markets Authority (CMA) einen Report zum Thema „Online Reviews and Endorsements“. (siehe hier)
Die CMA setzte sich ausführlich mit dem Thema „Fake Reviews“ auseinander und schilderte Beispielsfälle missbräuchlicher Praktiken. Die Behörde betonte dabei auch die Wichtigkeit von Nutzerbewertungen für die Kaufentscheidung der Verbraucher. Mehr als die Hälfte der UK-Bürger würden Nutzerbewertungen aktiv berücksichtigen.
Auch auf EU-Ebene wird das Thema Nutzerbewertungen diskutiert. Die EU möchte mit einer neuen Richtlinie, die Rechte von Verbrauchern im Bereich des Online-Handels stärken und für mehr Transparenz beim Thema Nutzerbewertungen sorgen (siehe hier) , der Richtlinienentwurf ist aktuell nur in der englischen Fassung verfügbar. (siehe hier)
Darüber hinaus ermittelt das Bundeskartellamt in einem kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren, ob Amazon bei Produktrezensionen auf einem möglichen Markt für Marktplatzdienstleistungen für den Online-Vertrieb an Verbraucher missbräuchlich vorgeht. (siehe hier)
Schließlich stellte das Bundeskartellamt in dem Abschlussbericht zur verbraucherschutzrechtlichen Sektoruntersuchung im Bereich Vergleichsportale fest, dass Nutzerbewertungen regelmäßig nur von Nutzern stammten, die erfolgreich über das Vergleichsportal einen Abschluss getätigt haben. (siehe hier)
Durch diese Beschränkung würden einerseits Fälschungen erschwert. Allerdings wäre damit auch die „Bewertungsbreite“ der Nutzerbewertungen eingeschränkt.
Die Einleitung der Sektoruntersuchung zum Thema Nutzerbewertungen im Internet ist ein weiterer Schritt, der die Fokussierung des Bundeskartellamts auf die Internetwirtschaft verdeutlicht und ein Thema, das sowohl kartell- als auch verbraucherschutzrechtliche Relevanz besitzt. Es wäre daher wünschenswert, wenn die Untersuchung sich auch – wie die CMA – mit kartellrechtlichen Aspekten von Nutzerbewertungen beschäftigt (z.B. die wettbewerbsfördernde Wirkung), was dann in kartellrechtlichen Verfahren genutzt werden kann, wo die Behörde weitergehende Kompetenzen besitzt.
Als nächste Maßnahmen dürften Fragebögen des Bundeskartellamts an Marktteilnehmer und Verbraucherschutzorganisationen versandt werden. Nach Vorstellung der Ergebnisse schließt sich eine Konsultationsphase an, in der betroffene Marktteilnehmer sowie weitere interessierte Kreise zu dem Konsultationspapier Stellung nehmen können. Anschließend veröffentlicht das Bundeskartellamt einen Abschlussbericht. (siehe hier ausschließlich auf Deutsch)
Weitergehende Maßnahmen, wie etwaige Rechtsverstöße durch behördliche Maßnahmen abzustellen, sind gesetzlich nicht vorgesehen.
Es ist kein zeitlicher Rahmen für die Durchführung verbraucherschutzrechtlicher Sektoruntersuchungen vorgegeben. Im Bereich Vergleichsportale benötigte das Bundeskartellamt ca. 19 Monate. Im Bereich SmartTVs wurde die Sektoruntersuchung vor rund 19 Monaten eingeleitet und ihr Abschluss ist für 2019 angekündigt. Mit Ergebnissen in Form eines Abschlussberichts zur Sektoruntersuchung Nutzerbewertungen im Internet ist daher voraussichtlich frühestens Ende 2020 oder eher Mitte 2021 zu rechnen.