Am 4. Juni hat das OLG Düsseldorf das Verbot des Bundeskartellamts für Booking.com, auf seinem Hotelbuchungsportal sog. „enge“ Bestpreisklauseln zu verwenden, aufgehoben und solche Bestpreisklauseln für zulässig erachtet, Pressemeldung siehe hier.
Diese seien notwendig, um einen „fairen und ausgewogenen Leistungsaustausch zwischen den Portalbetreibern und den vertragsgebundenen Hotels zu gewährleisten“, und insbesondere ein „illoyales Umlenken von Kundenbuchungen“ weg von der Plattform hin zu den eigenen Internetseiten der Hotels zu verhindern. Das Gericht hat keine weitere Rechtsbeschwerde zugelassen.
Fakten und Kontext
Booking.com präsentiert Hotels auf seiner Internetbuchungsplattform und bietet weitere Dienstleistungen an. Booking.com hatte – ebenso wie die andere Buchungsplattformen, z.B. HRS und Expedia – zunächst weite Bestpreisklauseln mit den Hotels vereinbart, also dass diese auf keinem anderen Internetverkaufskanal bessere Preise oder Konditionen anbieten dürfen, inklusive andere Plattformen aber auch auf den eigenen Internetseiten. Diese Praxis hatte das Bundeskartellamt im Verfahren gegen HRS bereits in 2013 verboten (siehe hier), was das OLG Düsseldorf 2015 bestätigte (siehe hier).
Booking.com änderte daraufhin seine Praxis und vereinbarte eine enge Bestpreisklausel, also dass Hotels jedenfalls nicht mehr auf der eigenen Internetseite bessere Preise anbieten dürften. Auch hiergegen ging das BKartA mit einem Verbot in 2015 vor (siehe hier).
Andere nationale Kartellbehörden griffen die europaweite Praxis von Booking.com ebenfalls auf, kamen aber zu dem Ergebnis, dass enge Bestpreisklauseln freigestellt seien, insbesondere, um Trittbrettfahren von Hotels auf Kosten vom Internetportal zu verhindern (also dass Nutzer ein Hotel auf dem Portal finden, dann aber auf der Internetseite des Hotels günstiger buchen) und so die Investitionen von Booking.com in das Portal und die Dienstleistungen zu schützen. Das Bundeskartellamt dagegen lehnte ab, dass es ein Trittbrettfahrerproblem geben könnte. Diese unterschiedlichen Ergebnisse bei der Durchsetzung EU-Kartellrechts auf dasselbe Geschäftsmodell in verschiedenen Ländern führte zu kontroversen Diskussionen und zeigten die Grenzen dezentraler Durchsetzung von EU-Kartellrecht durch nationale Behörden auf (vgl. z.B. Silke Heinz, Online Booking Platforms and EU Competition Law in the Wake of the German Bundeskartellamt’s Booking.comInfringement Decision).
Entscheidung des OLG Düsseldorf – neue rechtliche Analyse der Bestpreisklauseln und Ausblick
Dass OLG Düsseldorf kommt nun letztlich zu demselben Ergebnis wie fast alle anderen nationalen EU-Kartellbehörden, nämlich dass enge Bestpreisklauseln im Fall von Booking.com zulässig sind. Auch wenn die Pressemeldung das Wort nicht verwendet, dürfte das Gericht davon ausgehen, dass es ein Trittbrettfahrerproblem gibt, wenn es von Umlenken der Kundenbuchungen spricht. Allerdings geht das Gericht bei der rechtlichen Analyse wohl einen eigenen Weg. Es sieht die Klauseln offenbar als eine notwendige Nebenabrede zur Vereinbarung zwischen Portal und Hotels an. Das bedeutet, dass diese schon nicht als wettbewerbsbeschränkend gelten. Die klassische Analyse der Kartellbehörden ging dagegen von einer Wettbewerbsbeschränkung aus, die gerechtfertigt war (Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV).
Die unterschiedlichen Wege dürften sich praktisch bei der Frage der Beweislast auswirken. Für die Voraussetzungen der Freistellung trägt derjenige die Beweislast, der sich darauf beruft, also Booking.com. Das Bundeskartellamt lehnte den Vortrag von Booking.com dazu seinerzeit als nicht ausreichend ab. Bei der Frage, ob überhaupt eine Wettbewerbsbeschränkung vorliegt, liegt die Beweislast dagegen beim Bundeskartellamt. Das OLG Düsseldorf hatte dem Bundeskartellamt nun eine Hotel- und Kundenbefragung aufgegeben, um dazu weiter zu ermitteln, bevor es zu seiner Entscheidung kam.
Ein weiterer wichtiger Unterschied dürfte sein, dass es bei einer notwendigen Nebenabrede nicht so sehr auf die Marktanteile der Beteiligten ankommt. Dagegen spielen Marktanteile bei der Frage eine Rolle, ob eine (angenommene) Wettbewerbsbeschränkung spürbar ist bzw. unter die Gruppenfreistellungsverordnung der Kommission fällt und damit automatisch freigestellt ist (letzteres bei Marktanteilen von unter 30%).
Die Entscheidung könnte weitreichende Auswirkung auf die Zulässigkeit von Bestpreisklauseln auf Internetplattformen in Deutschland haben, wenn diese zukünftig einfacher als notwendige Nebenabrede zu rechtfertigen wären und die Verwender nicht die Freistellungsvoraussetzungen nachweisen müssten, wie das nach der bisherigen Analyse der Fall war. Dies könnte auch für marktstarke Internetplattformen gelten, wenn die Marktanteile eine geringere Rolle bei der Analyse spielen, als das bisher der Fall war. Letztlich wird man hier aber die vollständige Begründung abwarten müssen.