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„Das Unternehmen als Täter – Compliance-Fragen bei M&A Transaktionen nach dem geplanten Unternehmensstrafrecht“

Roman Zagrosek hat als Co-Autor einen Artikel zu dem Thema verfasst (Zeitschrift für Wirschaftsrecht (ZIP), 2019 Heft 50/ S. 2385, zusammen mit Knott). Das geplante deutsche Unternehmensstrafrecht wird die Relevanz von Compliance-Themen bei M&A-Transkationen weiter verstärken.
Es sieht einen eigenen Konzernbegriff sowie erheblich verschärfte Sanktionen vor. Außerdem wird die Haftung beim Ausfall der Sanktion sowie des wirtschaftlichen Nachfolgers eingeführt. All diese Verschärfungen sind im Kartellrecht bereits gesetzlich umgesetzt, so dass die dort bestehende Praxis relevant ist. Der Artikel beschäftigt sich mit den Auswirkungen auf M&A-Transaktionen. Das Thema wird von den Autoren auch in einem auf Englisch veröffentlichten Beitrag behandelt, abrufbar unter: https://ssrn.com/

Amazon-Verfahren der EU

Silke Heinz spricht über das kürzlich eröffnete kartellrechtliche Amazon-Verfahren der EU in einem Podcast der Serie „Our Curious Amalgam“ der ABA Antitrust Law Section (auf Englisch), zusammen mit Damien Geradin und den Gastgebern Matthew Hall und John Roberti. Der Podcast behandelt u.a. die Doppelrolle von Amazon als Betreiber des Amazon Marktplatzes und als Einzelhändler auf derselben Plattform, Aspekte von Informations- und Datensammlung in diesen Fall, als auch mögliche Lehren für die Digitalwirtschaft. Den Podcast kann man hier anhören.

BGH hebt Urteil des OLG Düsseldorf im Fall vertikaler Preisabsprachen über Röstkaffeeprodukte (Rossmann) auf

Mit Beschluss vom 9. Juli 2019 (hier) hat der BGH die Entscheidung des OLG Düsseldorf, das das Bußgeld für Rossmann wegen vertikaler Preisabsprachen beim Vertrieb von Röstkaffee von EUR 5,25 Millionen auf EUR 30 Millionen erhöht hatte, aufgehoben und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.  Grund für die Aufhebung und Zurückverweisung war ein formaler Fehler: Die Urteilsgründe wurden nicht fristgerecht nach Verkündung am Ende der Hauptverhandlung zu den Akten gebracht.

Nur am Rande äußerte sich der BGH zu inhaltlichen Rügen, da der formale Verstoß einen sogenannten absoluten Revisionsgrund darstellt, der automatisch die vollumfängliche Aufhebung des Urteils zur Folge hat.  Rossmann hatte u.a. vorgebracht, die Taten seien verjährt.  Der BGH schließt sich dem OLG Düsseldorf an, es habe einen einheitlichen Kartellverstoß, bestehend aus Grundabsprache und Umsetzungshandlungen gegeben, der nach den Feststellungen des OLG Düsseldorf bis Februar 2008 noch nicht beendet war.  Die Entscheidungsverkündung des OLG Düsseldorf habe die Verjährung daher rechtzeitig unterbrochen.

Zur Berechnung und Höhe des Bußgeldes trifft der BGH jedoch keine Aussage.  Das OLG Düsseldorf hatte das Bußgeld des Bundeskartellamtes mit seiner Entscheidung versechsfacht.

Ursprünglich hatte das Bundeskartellamt im Jahr 2016 festgestellt, dass Röstkaffee-Hersteller Melitta und einige Handelsunternehmen zwischen 2004 und 2008 vertikale Preisabsprachen zur Erhaltung eines Mindestniveaus der Endverkaufspreise für Röstkaffeeprodukte getroffen hatten, und entsprechend Bußgelder verhängt, gegen Rossmann in Höhe von EUR 5,25 Millionen (Fallbericht hier). Während alle anderen Beteiligten im Rahmen eines Settlement-Verfahrens einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung zugestimmt haben, hat Rossmann Einspruch gegen den Bußgeldbescheid des Bundeskartellamtes eingelegt.  Das OLG Düsseldorf hatte daraufhin in seinem Beschluss vom 28. Februar 2018 (Az. 4 Kart 3/17 OWi, (hier) das Bußgeld gegen Rossmann auf EUR 30 Millionen erhöht.  Bei der Bußgeldberechnung ging das OLG Düsseldorf dabei anstelle des tatbezogenen Umsatzes vom konzernweiten Umsatz aus und führte im Rahmen seines Ermessens eine eigene Abwägung der Schwere der Tat und Schuld durch.  Rossmann legte daraufhin Rechtsbeschwerde beim BGH ein.

Einvernehmliche Verfahrensbeendigung des Bundeskartellamts mit Amazon im Missbrauchsverfahren

Am 17. Juli 2019 hat das BKartA die einvernehmliche Verfahrensbeendigung mit Amazon mitgeteilt. Neben der Pressemeldung (hier) wurde auch ein Fallbericht (hier) veröffentlicht. Am selben Tag leitete die Europäische Kommission ein Verfahren gegen Amazon ein (hier).

Heinz & Zagrosek hat einen Nähmaschinenhändler als Beschwerdeführer im deutschen Verfahren vertreten.

Das BKartA ermittelte insbesondere in Bezug auf Amazons Haftungsregelungen, Kündigung und Sperrung von Händlerkonten, Gerichtsstand (Zuständigkeit nur in Luxemburg), Retouren und Erstattungen, Produktinformation und Nutzungsrechte, Geheimhaltung, Transparenz, Produktrezensionen und Verkäuferbewertungen.

Die Tatsache, dass das BKartA Amazon davon überzeugen konnte, ihre AGB in relativ kurzer Zeit zu ändern und zu ergänzen (im Vergleich zu anderen Missbrauchsverfahren wurde der Fall innerhalb von ca. 7 Monaten abgeschlossen), ist sehr positiv.  Es ist schon bemerkenswert, dass das BKartA eine globale Lösung erreichen konnte, d.h. eine, die nicht nur auf seinen Zuständigkeitsbereich in Deutschland beschränkt ist. Die Änderungen scheinen die meisten Beschwerdepunkte abzudecken, aber natürlich wird es entscheidend sein, wie Amazon diese versprochenen Änderungen in die Realität umsetzen wird. Der Teufel steckt in den Details, und das Bundeskartellamt ist bereit, das Verfahren wieder aufzunehmen, sollte Amazon die Änderungen nicht richtig umsetzen.

In Deutschland ging es nicht in erster Linie um die Doppelrolle Amazons als Plattformanbieter und Händler – das ist jetzt Gegenstand des Kommissionsverfahrens -, sondern vielmehr um den ausbeuterischen Missbrauch gegenüber auf der Plattform tätigen Händlern durch die Einführung missbräuchlicher Handelsbedingungen.

Der Fall betraf aber auch die Behinderung und Abschottung von Händlern, insbesondere durch die Nutzung ihrer marktbeherrschenden Stellung im eigenen Einzelhandel: Amazon erlaubt die Veröffentlichung von Produktbewertungen auf seiner Plattform nur dann, wenn sie von einem eigenen „Amazon Vine“-Dienst erstellt werden, nicht von Drittanbietern. Gleichzeitig wird verhindert, dass Plattformhändler den Vine-Service nutzen, der nur für Anbieter der eigenen Retail-Aktivitäten von Amazon (Vendoren) verfügbar ist.

Hier hat Amazon nun versprochen, weiteren Händlern den Zugang zum Amzon Vine Service zu gewähren und Dienstleistungen für die Überprüfung neuer Produkte anzubieten, was sehr positiv ist. Das BKartA hat jedoch nicht entschieden (und von der einvernehmlichen Verfahrensbeendigung ausgeklammert), wie mit dem Umstand umzugehen ist, dass Amazon von über Drittdienstleister organisierte und auf Amazon veröffentliche Produktbewertungen rückwirkend gelöscht bzw. verbot, die ebenfalls Teil der Beschwerde waren und getätigte Investitionen der Händler in diesem Bereich betreffen. Das BKartA wollte das informelle Gesamtpaket der einvernehmlichen Verfahrensbeendigung offensichtlich nicht aufhalten und verzichtete daher auf eine eingehende Prüfung dieser Aspekte.  Stattdessen wartet es die Ergebnisse der derzeit laufenden Sektoruntersuchung zur Nutzerbewertung ab (siehe unseren Blog hier), die sich ebenfalls mit diesem Thema befasst. Das Thema ist für Online-Händler nach wie vor sehr wichtig. Der Teufel steckt in den Details, und das BKartA ist bereit, das Verfahren wieder aufzunehmen, sollte Amazon die Änderungen nicht richtig umsetzen.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden und die Europäische Kommission den Umfang und den Zeitplan ihrer Verfahren koordinieren – da bei der Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts parallele Kompetenzen bestehen, während die Kommission letztendlich einen Fall übernehmen kann. Hier war es effizient, die Inhalte der Verfahren zu koordinieren, um zu vermeiden, dass die Behörden im Wesentlichen die gleichen Fragen überprüfen.

Heinz & Zagrosek wurden im Zusammenhang mit der einvernehmlichen Verfahrensbeendigung mit Amazon in der Juve (here) und GCR (here) erwähnt und Frau Heinz wurde auch zitiert.

Europäische Kommission bebußt Sanrio wegen Beschränkung grenzüberschreitender Verkäufe von lizenzierten Hello-Kitty-Produkten im EWR

Die Kommission am 9. Juli 2019 Sanrio, Hersteller von Hello Kitty-Produkten, wegen vertikaler Verkaufsbeschränkungen mit einem Bußgeld i.H.v. €6,2 Mio. belegt (Pressemeldung hier).

Sanrio lizenziert seine Marken und sonstigen IP-Rechte an Lizenznehmer zur Verwendung auf verschiedenen Merchandising-Produkten. In den (nicht-exklusiven) Lizenzverträgen im EWR hatte Sanrio den Lizenznehmern grenzüberschreitende Verkäufe verboten, und zwar einerseits durch direkte Maßnahmen (wie expliziten Verkaufsverboten, der Verpflichtung, Aufträge für Verkäufe außerhalb des Territoriums an Sanrio zu verweisen und die Limitierung von Sprachen, die auf den Merchandising-Produkten verwendet wurden). Andererseits hat Sanrio die Einhaltung dieser Verbote auch indirekt durchgesetzt, nämlich durch entsprechende Audits und der Nichtverlängerung von Verträgen, wenn Lizenznehmer diese Verbote nicht einhielten.  Die Kommission hat dies als verbotene Marktaufteilung innerhalb des EWR gesehen.  Eine Marktaufteilung wird typischerweise als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingeordnet oder auch als Kernbeschränkung, die eine Anwendung etwa der Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung ausschließt und auch eine individuelle Freistellung äußerst schwierig macht.

Sanrio hat mit der Kommission kooperiert und dadurch eine Reduktion des Bußgelds um 40% erlangt.  Dies war eine Kooperation außerhalb der Bonusregelung, die nur für horizontale Kartelle gilt.  Sie erfolgt in vertikalen Fällen bei der Kommission auf ähnlicher Basis wie das Settlement-Verfahren in Kartellfällen, und wurde von der Kommission kürzlich entwickelt.  Einen Überblick bietet ein Faktenblatt im Guess-Fall (siehe hier).

Der Fall ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die Kommission zunehmend verstärkt vertikale Verstöße untersucht und ahndet.  Das ist einerseits wohl ein Resultat der Ergebnisse der E-Commerce-Sektoruntersuchung.  Andererseits ist auch ein Bestreben der Kommission zu erkennen, diesen Bereich der Kartellrechtsverfolgung nicht mehr nur den nationalen Behörden zu überlassen.  Silke Heinz wurde zu möglichen Gründen und zum Hintergrund dazu in der Global Competition Review zitiert (siehe hier).

 

Bundeskartellamt gibt Zusammenschluss von Papierhändlern trotz hoher gemeinsamer Marktanteile frei

Am 2. Juli 2019 hat das Bundeskartellamt den Erwerb des Papierhändlers Papyrus (Teil der Opti Group) durch die Papier Union (Inapa-Gruppe) in der 2. Phase freigegeben, und zwar trotz eines gemeinsamen Marktanteils von 40-50% auf dem Markt für Druckereipapier (siehe Pressemeldung hier)  und Fallbericht hier.

Obwohl damit die Vermutungsschwelle der Einzelmarktbeherrschung (40%, §18 Abs. 4 GWB) überschritten ist, geht das Amt nicht von der Entstehung einer solchen Stellung aus, da der größte Wettbewerber Igepa noch einen leicht höheren Marktanteil aufweist. Das Amt stellt auch auf folgende Punkte ab:  Die Druckereien als Kunden betreiben Multi-Sourcing, können schnell und problemlos den Lieferanten wechseln, und die Wettbewerber haben auch genügend Kapazitäten, um zusätzliche Nachfrage zu befriedigen.  Schließlich hat das Amt auch in der Direktbelieferung der Druckereien seitens eines Herstellers (Sappi) als relevanten Wettbewerbsdruck gesehen, der den Spielraum der Zusammenschlussparteien einschränkt.

Die gemeinsamen Marktanteile der Zusammenschlussparteien und Igepa überschreiten auch die Vermutungsschwelle des Oligopols (mehr als 2/3).  Hier stellt das Amt fest, dass sich nicht mit nötiger Wahrscheinlichkeit die Entstehung von koordinierten Effekten nachweisen lässt, auch wenn durch das Vorhaben die Unternehmens- und Marktstrukturen symmetrischer würden, was eine implizite Verhaltenskoordinierung erleichtern könnte.  Gegen eine stabile Koordinierung spricht laut Amt aber das sich wandelnde Marktumfeld und der schrumpfende Gesamtmarkt, sowie der Außenwettbewerb durch die Direktbelieferung seitens Sappi.  Hier zeigt sich, dass das Amt trotz Erfüllung der Marktbeherrschungsvermutung einen nicht unerheblichen Beweismaßstab in seiner Prüfung anlegt.

Die Würdigung der Bedeutung des Wettbewerbsdrucks durch den Direktvertrieb, der einem separaten Produktmarkt zugerechnet wird, ist ebenfalls interessant. Dieser Aspekt könnte auch in anderen Vertriebsmärkten, bei denen es neben Lieferungen durch Händler gleichzeitig Direktbelieferung durch einzelne Hersteller gibt, relevant sein.