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Bundeskartellamt leitet verbraucherschutzrechtliche Sektoruntersuchung zum Thema Nutzerbewertungen im Internet ein

Pressemitteilung vom 23.5.2019

Nutzerbewertungen können sich auf Produkte wie z.B. Nähmaschinen der Marke XY oder Dienstleister wie z.B. Händler und Ärzte beziehen. Bei Nutzerbewertungen auf Plattformen wird unterschieden, ob es sich um offene oder geschlossene Bewertungssysteme handelt.  Kennzeichnend für ein offenes System ist, dass Nutzer auch dann eine Bewertung abgeben können, wenn sie das Produkt bzw. die Dienstleistung nicht über die Plattform bezogen haben. Ein geschlossenes Bewertungssystem setzt dagegen eine Transaktion auf der konkreten Plattform voraus.

Das Bundeskartellamt nutzt mit der Sektoruntersuchung ein Instrument zum Verbraucherschutz, das der Behörde seit Mitte 2017 zur Verfügung steht. Nach den Bereichen Smart TVs (siehe hier) und Vergleichsportale (siehe hier) handelt es sich um die dritte Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts zum Verbraucherschutz.

Im Gegensatz zu kartellrechtlichen Sektoruntersuchung beschränken sich die Maßnahmen des Bundeskartellamts beim Thema Verbraucherschutz auf die Veröffentlichung eines Abschlussberichts.  Es leitet keine konkreten Verfahren ein, sondern stellt etwaige Missstände lediglich fest.

Das Bundeskartellamt ist nicht die einzige europäische Wettbewerbsbehörde, die sich dem Thema Nutzerbewertungen widmet. Bereits in 2015 veröffentlichte die Competition & Markets Authority (CMA) einen Report zum Thema „Online Reviews and Endorsements“. (siehe hier)

Die CMA setzte sich ausführlich mit dem Thema „Fake Reviews“ auseinander und schilderte Beispielsfälle missbräuchlicher Praktiken.  Die Behörde betonte dabei auch die Wichtigkeit von Nutzerbewertungen für die Kaufentscheidung der Verbraucher. Mehr als die Hälfte der UK-Bürger würden Nutzerbewertungen aktiv berücksichtigen.

Auch auf EU-Ebene wird das Thema Nutzerbewertungen diskutiert. Die EU möchte mit einer neuen Richtlinie, die Rechte von Verbrauchern im Bereich des Online-Handels stärken und für mehr Transparenz beim Thema Nutzerbewertungen sorgen (siehe hier) , der Richtlinienentwurf ist aktuell nur in der englischen Fassung verfügbar. (siehe hier)

Darüber hinaus ermittelt das Bundeskartellamt in einem kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren, ob Amazon bei Produktrezensionen auf einem möglichen Markt für Marktplatzdienstleistungen für den Online-Vertrieb an Verbraucher missbräuchlich vorgeht. (siehe hier)
Schließlich stellte das Bundeskartellamt in dem Abschlussbericht zur verbraucherschutzrechtlichen Sektoruntersuchung im Bereich Vergleichsportale fest, dass Nutzerbewertungen regelmäßig nur von Nutzern stammten, die erfolgreich über das Vergleichsportal einen Abschluss getätigt haben. (siehe hier)
Durch diese Beschränkung würden einerseits Fälschungen erschwert. Allerdings wäre damit auch die „Bewertungsbreite“ der Nutzerbewertungen eingeschränkt.

Die Einleitung der Sektoruntersuchung zum Thema Nutzerbewertungen im Internet ist ein weiterer Schritt, der die Fokussierung des Bundeskartellamts auf die Internetwirtschaft verdeutlicht und ein Thema, das sowohl kartell- als auch verbraucherschutzrechtliche Relevanz besitzt.  Es wäre daher wünschenswert, wenn die Untersuchung sich auch – wie die CMA – mit kartellrechtlichen Aspekten von Nutzerbewertungen beschäftigt (z.B. die wettbewerbsfördernde Wirkung), was dann in kartellrechtlichen Verfahren genutzt werden kann, wo die Behörde weitergehende Kompetenzen besitzt.

Als nächste Maßnahmen dürften Fragebögen des Bundeskartellamts an Marktteilnehmer und Verbraucherschutzorganisationen versandt werden. Nach Vorstellung der Ergebnisse schließt sich eine Konsultationsphase an, in der betroffene Marktteilnehmer sowie weitere interessierte Kreise zu dem Konsultationspapier Stellung nehmen können. Anschließend veröffentlicht das Bundeskartellamt einen Abschlussbericht. (siehe hier ausschließlich auf Deutsch)
Weitergehende Maßnahmen, wie etwaige Rechtsverstöße durch behördliche Maßnahmen abzustellen, sind gesetzlich nicht vorgesehen.

Es ist kein zeitlicher Rahmen für die Durchführung verbraucherschutzrechtlicher Sektoruntersuchungen vorgegeben. Im Bereich Vergleichsportale benötigte das Bundeskartellamt ca. 19 Monate. Im Bereich SmartTVs wurde die Sektoruntersuchung vor rund 19 Monaten eingeleitet und ihr Abschluss ist für 2019 angekündigt. Mit Ergebnissen in Form eines Abschlussberichts zur Sektoruntersuchung Nutzerbewertungen im Internet ist daher voraussichtlich frühestens Ende 2020 oder eher Mitte 2021 zu rechnen.

Booking.com gewinnt vor dem OLG Düsseldorf: „enge“ Bestpreisklauseln auf Hotelportal sind zulässig

Am 4. Juni hat das OLG Düsseldorf das Verbot des Bundeskartellamts für Booking.com, auf seinem Hotelbuchungsportal sog. „enge“ Bestpreisklauseln zu verwenden, aufgehoben und solche Bestpreisklauseln für zulässig erachtet, Pressemeldung siehe hier.

Diese seien notwendig, um einen „fairen und ausgewogenen Leistungsaustausch zwischen den Portalbetreibern und den vertragsgebundenen Hotels zu gewährleisten“, und insbesondere ein „illoyales Umlenken von Kundenbuchungen“ weg von der Plattform hin zu den eigenen Internetseiten der Hotels zu verhindern. Das Gericht hat keine weitere Rechtsbeschwerde zugelassen.

Fakten und Kontext

Booking.com präsentiert Hotels auf seiner Internetbuchungsplattform und bietet weitere Dienstleistungen an. Booking.com hatte – ebenso wie die andere Buchungsplattformen, z.B. HRS und Expedia – zunächst weite Bestpreisklauseln mit den Hotels vereinbart, also dass diese auf keinem anderen Internetverkaufskanal bessere Preise oder Konditionen anbieten dürfen, inklusive andere Plattformen aber auch auf den eigenen Internetseiten. Diese Praxis hatte das Bundeskartellamt im Verfahren gegen HRS bereits in 2013 verboten (siehe hier), was das OLG Düsseldorf 2015 bestätigte (siehe hier).

Booking.com änderte daraufhin seine Praxis und vereinbarte eine enge Bestpreisklausel, also dass Hotels jedenfalls nicht mehr auf der eigenen Internetseite bessere Preise anbieten dürften.  Auch hiergegen ging das BKartA mit einem Verbot in 2015 vor (siehe hier).

Andere nationale Kartellbehörden griffen die europaweite Praxis von Booking.com ebenfalls auf, kamen aber zu dem Ergebnis, dass enge Bestpreisklauseln freigestellt seien, insbesondere, um Trittbrettfahren von Hotels auf Kosten vom Internetportal zu verhindern (also dass Nutzer ein Hotel auf dem Portal finden, dann aber auf der Internetseite des Hotels günstiger buchen) und so die Investitionen von Booking.com in das Portal und die Dienstleistungen zu schützen. Das Bundeskartellamt dagegen lehnte ab, dass es ein Trittbrettfahrerproblem geben könnte. Diese unterschiedlichen Ergebnisse bei der Durchsetzung EU-Kartellrechts auf dasselbe Geschäftsmodell in verschiedenen Ländern führte zu kontroversen Diskussionen und zeigten die Grenzen dezentraler Durchsetzung von EU-Kartellrecht durch nationale Behörden auf (vgl. z.B. Silke Heinz, Online Booking Platforms and EU Competition Law in the Wake of the German Bundeskartellamt’s Booking.comInfringement Decision).

Entscheidung des OLG Düsseldorf – neue rechtliche Analyse der Bestpreisklauseln und Ausblick

Dass OLG Düsseldorf kommt nun letztlich zu demselben Ergebnis wie fast alle anderen nationalen EU-Kartellbehörden, nämlich dass enge Bestpreisklauseln im Fall von Booking.com zulässig sind. Auch wenn die Pressemeldung das Wort nicht verwendet, dürfte das Gericht davon ausgehen, dass es ein Trittbrettfahrerproblem gibt, wenn es von Umlenken der Kundenbuchungen spricht. Allerdings geht das Gericht bei der rechtlichen Analyse wohl einen eigenen Weg. Es sieht die Klauseln offenbar als eine notwendige Nebenabrede zur Vereinbarung zwischen Portal und Hotels an.  Das bedeutet, dass diese schon nicht als wettbewerbsbeschränkend gelten.  Die klassische Analyse der Kartellbehörden ging dagegen von einer Wettbewerbsbeschränkung aus, die gerechtfertigt war (Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV).

Die unterschiedlichen Wege dürften sich praktisch bei der Frage der Beweislast auswirken. Für die Voraussetzungen der Freistellung trägt derjenige die Beweislast, der sich darauf beruft, also Booking.com. Das Bundeskartellamt lehnte den Vortrag von Booking.com dazu seinerzeit als nicht ausreichend ab. Bei der Frage, ob überhaupt eine Wettbewerbsbeschränkung vorliegt, liegt die Beweislast dagegen beim Bundeskartellamt. Das OLG Düsseldorf hatte dem Bundeskartellamt nun eine Hotel- und Kundenbefragung aufgegeben, um dazu weiter zu ermitteln, bevor es zu seiner Entscheidung kam.

Ein weiterer wichtiger Unterschied dürfte sein, dass es bei einer notwendigen Nebenabrede nicht so sehr auf die Marktanteile der Beteiligten ankommt. Dagegen spielen Marktanteile bei der Frage eine Rolle, ob eine (angenommene) Wettbewerbsbeschränkung spürbar ist bzw. unter die Gruppenfreistellungsverordnung der Kommission fällt und damit automatisch freigestellt ist (letzteres bei Marktanteilen von unter 30%).

Die Entscheidung könnte weitreichende Auswirkung auf die Zulässigkeit von Bestpreisklauseln auf Internetplattformen in Deutschland haben, wenn diese zukünftig einfacher als notwendige Nebenabrede zu rechtfertigen wären und die Verwender nicht die Freistellungsvoraussetzungen nachweisen müssten, wie das nach der bisherigen Analyse der Fall war. Dies könnte auch für marktstarke Internetplattformen gelten, wenn die Marktanteile eine geringere Rolle bei der Analyse spielen, als das bisher der Fall war. Letztlich wird man hier aber die vollständige Begründung abwarten müssen.

Facebook-Entscheidung des Bundeskartellamts

Am 8. Februar 2019 hat das BKartA seine Entscheidung im Facebook-Verfahren verkündet. Es sieht die Facebook-Praxis, Daten seiner Nutzer von dritten Webseiten und Apps, einschließlich der Facebook-eigenen Dienste What’sApp und Instagram, ohne deren Zustimmung zu sammeln und zusammenzuführen, als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung.  Es verpflichtet Facebook, den Verstoß abzustellen sowie Vorschläge für ein Opt-Out-System zu unterbreiten, so dass Nutzer, die eine Zustimmung verweigern, Facebook weiterhin nutzen können (und nur einer sehr beschränkten Datensammlung und -zusammenführung unterliegen).  Dies ist eine sehr weitreichende Entscheidung, die direkt auf Facebooks Geschäftsmodell abzielt. Silke Heinz kommentiert die Entscheidung in der Global Competition Review, siehe hier.

Sie hat zur Entscheidung auch einen Blog auf Kluwer Competition Law Blog veröffentlicht, siehe hier.

Bundeskartellamt spricht sich offenbar gegen Fusion von Siemens/Alstom aus

Laut Medienberichten hat das Bundeskartellamt sich in einem Schreiben an die Europäische Kommission gegen die geplante Fusion geäußert, auch im Hinblick auf die von den Parteien vorgeschlagenen Zusagen.  Silke Heinz wurde dazu in der Global Competition Review zitiert, u.a. dazu, dass nationale Kartellbehörden in Fusionskontrollverfahren der Europäischen Kommission nur einen beratenden Einfluss haben.  Sie werden zwar angehört, haben aber kein Vetorecht.  Der Artikel dazu findet sich hier.

Wirtschaftsministerium veröffentlicht Studie zur Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen (2)

Wir haben bereits auf die Veröffentlichung der Studie zur Digitalwirtschaft vom 4. September 2018 in unserer Rubrik Aktuelles hingewiesen, siehe hier [Link zur früheren Meldung auf unserer Webseite].  Inzwischen hat Silke Heinz in einem Post auf Kluwer Competition Law Blog die 187-Seiten-Studie zusammengefasst und die Kernaussagen analysiert, siehe hier.

Sie kommentiert darin auch einige der vorgeschlagenen Gesetzesänderungen, einschließlich das Verbot der ungerechtfertigten Behinderung von Multihoming oder des Plattformwechsels auf Märkten, die von hohen Netzwerkeffekten gekennzeichnet sind und zu „Kippen“ drohen, auch wenn keine Marktbeherrschung oder relative Marktmacht vorliegt, sowie die Änderungen zur Fusionskontrolle, die ein Verbot für große Digitalunternehmen beinhalten, systematisch kleineren Start-Ups in einem frühen Entwicklungsstadium als potenzielle zukünftige Konkurrenten aufzukaufen.

Europäische Kommission eröffnet förmliches Kartellverfahren gegen deutsche Autohersteller

Die Europäische Kommission hat am 18. September 2018 ein förmliches Verfahren zur Untersuchung wegen möglichen Kartellrechtsverstoßes gegen die deutschen Autohersteller BMW, Daimler und VW, einschließlich VW, Audi und Porsche, eröffnet.  Dabei geht es um den Vorwurf einer Absprache, sich bei der Entwicklung und Einführung von Systemen zur Abgasreduktion bei Diesel- und Benzinmotoren für PKWs im EWR keine Konkurrenz zu machen (siehe Pressemeldung hier).

Die Kommission nahm Vorwürfe zu anderen Diskussionen der Autohersteller im Bereich technische Kooperation nicht in den Untersuchungsgegenstand auf. Ursprünglich hatten in 2017 sowohl die Kommission als auch das BKartA Informationen zu den Vorwürfen geprüft, bevor die Europäische Kommission die Autohersteller dann durchsuchte. Silke Heinz wird in der Global Competition Review zur Verfahrenseröffnung durch die Kommission zitiert, siehe hier.

Wirtschaftsministerium veröffentlicht Studie zur Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen

Das BMWi hat die Studie am 4. September veröffentlicht, siehe hier.
Die Studie beschäftigt sich mit der Frage, ob es im Kartellrecht Lücken im Hinblick auf Verhaltenskontrolle von marktbeherrschenden oder marktmächtigen Unternehmen im Bereich der digitalen Ökonomie gibt, und falls ja, wie diese in Deutschland geschlossen werden könnten.  Die Studie liefert einen umfassenden Überblick und eine exzellente Analyse der aktuellen Diskussion unter Kartellrechtlern und Ökonomen, sowie einige interessante Empfehlungen.  Ein Fokus dabei ist, ob eine Ausweitung der in Deutschland bereits existierenden behördliche Interventionsmöglichkeiten auch unterhalb der Marktbeherrschungsschwelle angestrebt werden soll, z.B. um das „Umkippen“ eines digitalen Marktes zu verhindern.  Silke Heinz wird zur Studie in der Global Competition Review zitiert, einschließlich zu den Empfehlungen im Bereich Fusionskontrolle, siehe hier.

Video-Interview: Kartellrecht im Zeitalter der Digitalisierung

Algorithmen/KI, Internetplattformen und Onlinehandel – unsere Partnerin Silke Heinz berichtet im Video-Interview auf Compliance Channel zu diesen aktuellen Themen.  Dabei geht es um Fragen, wie das Kartellrecht auf digitale Entwicklungen reagiert, welche Themen/Entwicklungen dabei insbesondere aus Compliance-Sicht wichtig sind, und wie die aktuellen Entwicklungen im Bereich Algorithmen und Künstliche Intelligenz (KI) kartellrechtlich eingeschätzt werden.

Algorithmen/KI, Internetplattformen und Onlinehandel – Kartellrechtsthemen im Zeitalter der Digitalisierung

Gemeinsamer Leitlinien-Entwurf für neue Transaktionswertschwelle in Deutschland und Österreich

Am 14. Mai 2018 haben die Kartellbehörden in Deutschland und Österreich einen gemeinsamen Entwurf für Leitlinien zur neuen Transaktionswertschwelle in der Fusionskontrolle zur Konsultation veröffentlicht, siehe hier.

Bis zum 8. Juni 2018 können Stellungnahmen eingereicht werden. Der Entwurf betrifft die in 2017 eingeführte neue Fusionskontrollschwelle, wonach eine Anmeldepflicht bestehen kann, wenn der Wert der Gegenleistung € 400 Mio. in Deutschland bzw. € 200 Mio. in Österreich übersteigt und das Zielunternehmen eine erhebliche Inlandstätigkeit hat, auch wenn die Umsatzschwellen nicht erreicht werden.  Der Leitlinienentwurf beschäftigt sich mit interessanten Fragen, u.a. der Bestimmung der Gegenleistung (inkl. welcher Zeitpunkt relevant ist und wie bei Earn-Out-Klauseln oder sonstigen bedingten oder zukünftigen Zahlungen der Wert bestimmt wird), wann eine Inlandstätigkeit erheblich ist, insbesondere auch auf digitalen Märkten und bei F&E-Tätigkeiten, sowie weiteren Fragen.  Silke Heinz hat dazu einen Blog auf Kluwer Competition Law Blog veröffentlicht, siehe hier.